Teatro Occupato
TEATRO OCCUPATO
Armer Süden – Reicher Norden Teil II: Italien
5 Abende an denen das TiG 7 zum Teatro Occupato wird – „besetztes Theater“ – viele italienische Theater wurden infolge der Kulturetatkürzungen besetzt und arbeiten selbst verwaltet weiter: „Das Theater soll (…) erhalten werden als ein Gemeingut subjektiven Rechts.“ Etwas von dieser Aufbruchsstimmung und Selbstreflextion des Theaters wollen wir mit diesen fünf italienischen Nächten nach Mannheim locken!
Der Topos „Armer Süden, reicher Norden“ ist eine klassische Denkfigur, die viel zu selten hinterfragt wird. Dabei geraten die historischen Ursachen für diese Asymmetrie und die Konstruktion von Armut aus dem Blick. Ein Blickwechsel, der die Autonomie des Südens und der mediterranen Kulturen ins Zentrum rückt, eröffnet den Raum für eine neue politische Utopie der Spätmoderne, die die Traditionen mit einschließt. Hier werden die „Laster“ des Südens produktiv gemacht und ermöglichen neue Formen der Kollaboration. (Aurora Rodonò)
12.02.2016 // 20.02.2016
Fausto Paravidino // Genua 01
(* 15. Juni 1976 in Genua) gilt als das „Wunderkind“ der italienischen Dramatik.In seinem Stück „Peanuts“ thematisiert Paravidino den G8-Gipfel in Genua. Auch in dem wenig später im Auftrag des Londoner Royal Court Theaters entstandenen Werk „Genua 01“ widmet sich der junge italienische Autor dem Thema G8. 300 000 Menschen kamen 2001 nach Genua, um für das Ende von Hunger, Unterdrückung und Krieg, für eine gerechte Weltordnung und gegen die Zerstörung der Umwelt zu demonstrieren. Doch sie waren mit einem Ausmaß polizeilicher Gewalt konfrontiert, das an die blutigen Diktaturen in Chile und Argentinien erinnert: Der 23-jährige Carlo Giuliani starb durch die Kugel eines Carabiniere, friedliche Massendemonstrationen wurden mit Tränengas beschossen, bei Straßenschlachten gab es hunderte Verletzte. Allein bei einer nächtlichen Razzia in einer Unterkunft der Demonstranten schlugen Polizisten auf 90 Gipfelgegner so heftig ein, dass 60 von ihnen schwerverletzt ins Krankenhaus mussten.„Genua 01“ ist eine bittere Bestandsaufnahme der Ereignisse während des G8-Gipfels im Sommer 2001. Paravidino möchte mit seinem semidokumentarischen Stück aufklären und lässt keinen Zweifel daran, wer aus seiner Sicht die Verantwortung für die tragischen Ereignisse trägt. Er montiert Zeugenaussagen, Polizeiprotokolle und Medienberichte zu einer Chronologie, in deren Mittelpunkt der Tod Carlo Giulianis steht. Das Stück wurde in der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz in Deutschland uraufgeführt.
Antonio Negri // COMMON WEALTH
(* 1. August 1933 in Padua), auch kurz als Toni Negri bekannt, ist ein italienischer Politikwissenschaftler und ein bedeutender Vertreter der neomarxistischen Strömung des Operaismus.
Antonio Negri wurde sehr jung Professor für Staatstheorie an der Eliteuniversität Padua. Anfang der 70er Jahre verkündete er das Ende des Wertgesetzes und propagierte den bewaffneten Aufstand. Potere Operaio löste sich 1973 auf, viele Mitglieder und Sympathisanten zog es zur Prima Linea, einer bewaffneten Gruppe, andere schlossen sich der Autonomia Negris an. Auf die aufkeimende 77er-Bewegung, die offen mit allen traditionellen Vorstellungen von Arbeiterbewegung, auch denen der 68er brach, reagierte Negri mit dem Begriff „gesellschaftlicher Arbeiter“. Die Fabrik sei nicht mehr der zentrale Ort der Produktion und des Kampfes, sondern die ganze Gesellschaft. Die Konfrontationen mit den Symbolen des Staates wurden heftiger, man ging bewaffnet auf Demonstrationen und es kam zu Schusswechseln mit der Polizei. Rotbrigadisten ermordeten 1978 Aldo Moro, die folgende staatliche Reaktion erfasste die 77er-Bewegung und die bewaffneten Revolutionäre. Am 7. April 1979 wurden Negri und viele andere mit der Autonomia Organizzata in Verbindung stehende Intellektuelle und Universitätsdozenten verhaftet und als Terroristen und wegen des Umsturzversuches gegen den Staat angeklagt. Der Autonomia Organizzata wurde vorgeworfen, der Kopf der Roten Brigaden zu sein. Negri wurde 1984 zu 30 Jahren Haft verurteilt und 1986 zu weiteren viereinhalb, weil er die Zusammenstöße in den 1960er und 1970er Jahren moralisch unterstützt habe. Während seine formale Anklage vorbereitet wurde, konnte Negri 1983 für die Radikale Partei ins Parlament gewählt werden. Bevor seine parlamentarische Immunität aufgehoben werden konnte, floh Negri nach Frankreich, wo er 14 Jahre lebte und schreiben und lehren konnte. Toni Negris mit Michael Hardt geschriebener umfassender Traktat Empire – die neue Weltordnung, gefolgt vom programmatischen Multitude und dem
dritten Teil Commonwealth (Sept. 2009, dt. Common Wealth, 2010), machten die Verfasser zu Starintellektuellen, die vor allem bei der globalisierungskritischen Linken starke Resonanz finden.
Michael Hardt // Common Wealth
(* Januar 1960 in Washington, D.C.) ist ein US-amerikanischer Literaturtheoretiker der Duke University. Sein wohl bekanntestes Werk ist Empire, das er gemeinsam mit Antonio Negri geschrieben hat. Im Nachfolgeband Multitude, der im Original im August 2004 veröffentlicht wurde, legen Hardt und Negri die Idee der Multitude im Detail dar, die in Empire nur vage und in ihrer Richtung erörtert wurde; sie sehen sie als einen möglichen Katalysator für das Entstehen einer globalen Demokratie.
13.02.2016 //19.02.2016// 21.02.2016
Margareth Obexer
auch als Maxi Obexer bekannt (* 1970 in Brixen, Südtirol (Italien)), ist eine freischaffende Autorin von Theaterstücken, Hörspielen, Essays, Erzählungen und Reportagen. Im März 2011 erschien ihr Roman Wenn gefährliche Hunde lachen. Obexer war Max-Kade-Gastprofessorin in den USA und unterrichtet seit 2009 an der Universität der Künste Berlin das Fach Szenisches Schreiben. Mit Das Geisterschiff schrieb sie ein weiteres Stück, das seit Jahren auf deutschen Bühnen zu sehen ist. Uraufgeführt wurde es 2007 in Jena, es folgten Inszenierungen in Osnabrück, München und zuletzt im Theater Basel. Das Stück thematisiert eine der größten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeerraum, die jahrelang verschwiegen wurde. Als Sinnbild des europäischen Umgangs mit Flüchtlingen ist es zugleich ein Requiem für die vielen achtlos hingenommenen Toten, aber auch für die europäischen Menschenrechte.
ILLEGALE HELFER
Was bei vielen zu einem regelrechten Doppelleben wurde, begann oft mit einem spontanen Akt menschlicher Hilfe. Der tiefere Blick in die europäische Asylgesetzgebung, die Notwendigkeit des politischen Einspruchs, der Hass auf das Unrecht, die moralische Not, in die ein Staatsbeamter gerät, wenn er nationale Gesetze befolgt, und dabei Menschenrechte verletzt – ihre Gründe sind zahlreich, ihr ziviler Ungehorsam ein einziger Widerspruch zur verordneten Kälte der nationalen und europäischen Gesetzgebung. Sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft, sind Ärztinnen, Richter, Sozialarbeiter und Studentinnen; sie gehören allen Altersgruppen an, allen Schichten und allen Berufen. Sie helfen Flüchtlingen, Asylbewerberinnen und Migranten ohne legalen Status, sie retten sie vor der Abschiebung, bieten ihnen Schutz und Unterkunft, oder bringen sie über die Grenze, wenn alle Wege ausgeschöpft sind.Einige waren bereits mehrfach straffällig, andere riskieren Beruf und Existenz. Denn ihre Aktionen finden im Verborgenen statt, dort, wo das Gesetz keine Hilfe vorsieht – oder sie kriminalisiert.Sind sie die Stützen einer kritischen und verantwortlichen Zivilgesellschaft, das Korrektiv gegen eine kalte Politik? Es sind jedenfalls viele, die diese Risiken eingehen. Und viele, die ihrer Hilfe ein würdiges Leben in Europa verdanken.
Aurora Rodonò …ist am 13.2. anwesend und spricht über die historischen Ursachen der Asymmetrie und die Konstruktion von Armut
Aurora Rodonò ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln, freie Kulturschaffende und Drehbuchlektorin/Dramaturgin im Bereich Film & TV. Außerdem ist sie Mitglied und Programm-Macherin im Kölner «Filmclub 813» und hat hier u.a. die Filmreihen «Her mit dem besseren Leben! – Kino & Migration» und «Rumba, Kitsch & Cabaret. Vier Klassiker des mexikanischen Melodrams der 1950er Jahre» kuratiert. Von 2003 bis 2006 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. (DOMiD) und hat hier das Forschungs- und Ausstellungsprojekt «Projekt Migration» mitrealisiert. Zu ihren Publikationen zählen Artikel zur italienischen Migrationsgeschichte, zum Italienbild im bundesdeutschen Kino nach 1960, und zum deutschen und italienischen Migrationskino.
Giorgio Agamben
(* 22. April 1942 in Rom) ist ein italienischer Philosoph, Essayist und Buchautor. Er lehrt an der Universität Venedig[1] und am Collège international de philosophie in Paris.
Agamben ist inzwischen einer der meistdiskutierten Philosophen der Gegenwart. Dabei hat er erst seit Mitte der 1990er Jahre internationale Aufmerksamkeit erzielt. Kennzeichnend für sein Selbstverständnis scheint zu sein, dass er sich nicht auf die Rolle als akademischer Philosoph oder Literaturwissenschaftler festlegen lässt. Vielmehr nimmt er zu Themen der Zeit Stellung. Immer wieder provozierend ist dabei vor allem sein direkter Zugriff auf aktuelle rechtlich-politische Fragen.
In der Rezeption von Agambens Texten wird häufig die Materialfülle und vermeintliche Uneinheitlichkeit seiner Bezugspunkte angesprochen. Tatsächlich denkt und schreibt er aus der Auseinandersetzung heraus.
Grupo De Encontro
Das Mannheimer Kollektiv trifft sich regelmäßig, um den Samba der brasilianischen Hinterhöfe zu zelebrieren. Die vielen Musiker sitzen zusammen an einem großen Tisch, spielen gesellig auf ihren Instrumenten und singen, während das Publikum sie umkreist. Ein neues Klangerlebnis entsteht und der Hörer kann die Musiker ganz nah erleben; ohne Bühne, ohne Abstand.
Konzept und Realisation: Stefan Grießhaber// Katharina Kromminga
Besetzung:
Genua 01
Daniela Cohrs, Cinzia Fenoglio, Lisa Masetti, Astrid Pohl, Rike Schweizer,
Dario Becci, Henning Jacobsen, Guiseppe Toscano, Cafer Yilmaz,
Cornelius Zapf,
Das Geisterschiff
Daniela Cohrs, Rike Schweizer
Dario Becci, Henning Jacobsen, Norbert Krämer, Guiseppe Toscano,
Cafer Yilmaz, Cornelius Zapf
Illegale Helfer….Maria Rigot (Asylcafé Mannheim) wird anwesend sein
Daniela Cohrs, Gabi Susemichel, Dario Becci, Pascal Wieandt, Peter Klein,
Norbert Krämer, Cornelius Zapf
Premiere: 12.02.2016, Weiter Vorstellungen: 13., 19., 20. und 21.02.2016 jeweils um 20 Uhr